Kümmer dich gut um dich!

Du kümmerst dich um alles und um jeden? Versuchst täglich, alle Lebensbereiche wie Bälle in der Luft zu jonglieren? Und stellst dich selbst und deine Bedürfnisse gaaanz weit hinten an? Kann man mal machen, ist aber auf Dauer weder gut für dich noch für die Menschen, die dich brauchen.

von Nadine Reinicke

Kümmer dich gut um dich! (denn sonst macht es niemand)

© pixabay

Ein typischer Tagesablauf: 6:00 Uhr, der Wecker klingelt. Der erste Griff geht zum Handy. Nachrichten checken und gucken, ob jemand was von mir will. Zwei WhatsApp-Nachrichten mit organisatorischen Details für die Nachmittags-Planung der Kinder. Ich antworte kurz. Erledigt. Danach schnell duschen, anziehen, Frühstück für die Kinder machen. Brotdosen packen, Wasserflaschen füllen, Kinder an das Buch erinnern, das sie heute abgeben müssen, x-Mal ans Zähneputzen erinnern, kurz vor Aufbruch ein letzter Blick in den Spiegel. Die Bluse ist zerknittert und die Haare nicht gemacht. Macht nix. Keine Zeit mehr. Kinder in der Schule abgeliefert und weiter zur Arbeit. Heute stehen ein paar wichtige ToDos auf der Liste. Da man sich auf mich verlassen kann, erledige ich alle pünktlich und ordentlich. Dazwischen wollen ein paar Kolleg*Innen was von mir. Haben Fragen, brauchen Unterstützung, bitten um Hilfe. Und ich helfe. Natürlich. Macht man doch so als hilfsbereiter Mensch. Eine Stunde später als geplant hetze ich von der Arbeit nach Hause. Da ich keine Zeit für ein Mittagessen hatte, schiebe ich mir während der Fahrt schnell ein Brötchen vom Bäcker um die Ecke rein. Noch schnell für die Nachbarn einkaufen, die gerade krank im Bett liegen. Alles abliefern und mir kurz das Gejammer anhören, wie schlimm das alles ist. Dann werde ich zum Taxifahrer. Bringe die Kinder zu ihren Hobbies. Dazwischen eine halbe Stunde Zeit. Die nutze ich, um kurz noch ein paar eMails von der Arbeit zu beantworten. Dann die Kinder wieder einsammeln und gemeinsam zu Abend essen. Dabei fällt dem einen Kind ein, dass es morgen einen Vokabeltest schreibt und noch abgefragt werden möchte. Dem anderen Kind fällt ein, dass es für morgen unbedingt ein bestimmtes Heft braucht. Also Vokabeln abfragen, Heft besorgen, Kinder ins Bett bringen. Danach noch schnell den Haushalt in Ordnung bringen. 22 Uhr: erschöpft falle ich ins Bett. Noch ein letzter Blick aufs Handy. Hat noch jemand geschrieben? Ein Post lockt mich in die Welt der sozialen Medien. Vom Hölzchen komme ich aufs Stöckchen. Um plötzlich erschrocken festzustellen, dass wir fast Mitternacht haben. Also schnell noch den Wecker auf 6 Uhr stellen, Handy beiseitelegen und schlafen.

Verläuft dein Tag auch so oder so ähnlich?

Dann funktionierst du wunderbar und das ist großartig. Aber wenn wir nur noch funktionieren und uns keine Zeit mehr für uns selbst nehmen, bleiben die eigenen Bedürfnisse und unser Wohlbefinden auf Dauer auf der Strecke.

Zu viel von allem?
© unsplash

Mich um mich selbst zu kümmern ist doch egoistisch!

Häufig habe ich Menschen im Coaching oder in Workshops, deren Tagesablauf so oder so ähnlich aussieht. Ich lasse sie einen typischen Tagesablauf aufschreiben und frage dann, wieviel Zeit sie mit der Arbeit, dem Kümmern um andere Menschen, Social Media, der Hausarbeit, etc. verbringen. Und wieviel Zeit sie im Verhältnis dazu für sich selbst haben. In den meisten Fällen kommt dabei ein erschreckend kleiner %-Satz raus. Oftmals verbunden mit dem Einwand, dass es ja egoistisch sei, sich um sich selbst zu kümmern. Oder dass sie einfach keine Zeit dafür haben.

Doch ist es das wirklich?

Ist es egoistisch, wenn wir uns und unsere Gesundheit an die erste Stelle setzen? Mir fällt dabei immer die Situation im Flugzeug kurz vor dem Start ein. Die Flugbegleiter oder ein Video weisen uns freundlich darauf hin, dass im Falle eines Druckverlustes Sauerstoffmasken aus der Decke fallen. Und was sollen wir dann tun? ZUERST sollen wir uns die Sauerstoffmaske aufsetzen und erst danach anderen helfen, die Unterstützung brauchen. Warum? Wenn wir uns nicht als erstes die Sauerstoffmaske aufsetzen, kommen wir vielleicht nicht mehr dazu, den anderen Menschen um uns herum zu helfen. Und damit wäre niemandem geholfen.

SETZ DEIN WOHLBEFINDEN AN DIE ERSTE STELLE!

Denn du bist wichtig! Und nur so kannst du dich auch dauerhaft gut um die Menschen und Aufgaben kümmern, die dir am Herzen liegen.

Du bist wichtig!
© unsplash

Und was ist mit der Zeit? Ich habe doch keine Zeit!

Wir alle haben jeden Tag gleich viel Zeit zur Verfügung. Wie wir diese Zeit verbringen, entscheiden wir jeden Tag, ja sogar jeden Augenblick aufs Neue. Mal bewusst, mal eher unbewusst. Die Formulierung „Ich HABE keine Zeit“ ist daher nicht ganz richtig. Wir wären viel ehrlicher, wenn wir sagen würden „Ich NEHME MIR keine Zeit für mich“. Und warum nicht? Weil wir das Wohlbefinden anderer Menschen über unser eigenes stellen? Weil wir denken, dass wir unendlich viel Energie haben und sich unsere Akkus von allein wieder aufladen? Weil wir Superhelden sind, die unverwundbar sind und unsere Gesundheit selbstverständlich ist? Weil wir so erzogen wurden? Es bei anderen sehen? Es irgendjemand oder wir selbst von uns erwarten?

Was wäre, wenn du dir ab jetzt ERLAUBST, dir täglich etwas Zeit zu nehmen, um dich gut um dich und dein Wohlbefinden zu kümmern?

Es ist Zeit für Deine Zeit!
© pixabay

„Ich erlaube mir ab jetzt, mir täglich etwas Zeit zu nehmen, mich gut um mich und mein Wohlbefinden zu kümmern!“ Und wie mache ich das?

Je länger du das nicht getan hast, umso merkwürdiger fühlt sich das womöglich zunächst für dich an. Und es wird auch nicht automatisch passieren, nur weil du diesen Artikel hier gelesen hast. Was kannst du also tun, um neue Self-Care-Routinen in deinen Tagesablauf zu integrieren?

Self-Care-Routinen im Tagesablauf – Das Wichtigste

Schaffe dir eine Tagesstruktur, in der genügend Raum und Zeit für dich und dein Wohlbefinden eingeplant ist:

  • Entwickle eine Morgen-Routine, die dir guttut
    Wie wäre es, wenn du dir morgens ein paar Minuten Zeit für dich nimmst? Stelle deinen Wecker ein paar Minuten früher. Während alle anderen noch schlafen, kannst du die Ruhe nutzen, um dir z.B. deinen ersten Tee oder Kaffee zuzubereiten, zu meditieren, Yoga zu machen, den Sonnenaufgang zu beobachten, einen kurzen Spaziergang zu machen oder laufen zu gehen… Was ist es für dich, was dir morgens Kraft für den Tag gibt? Probiere ruhig verschiedene Sachen aus und entscheide dich dann für das, was dir am besten gefällt. Und lass das Handy während deiner Morgen-Routine aus.
  • Nimm dir Zeit für ein gesundes Frühstück. Das gibt dir Energie für den Tag.
  • Während der Arbeit: mach ca. alle 90 Minuten eine kurze Pause. Und mit Pause ist etwas gemeint, das einen Ausgleich zu deiner eigentlichen Tätigkeit bildet. Wenn du z.B. eine sitzende Tätigkeit hast, dann beweg dich ein bisschen. Musst du viel stehen, dann leg kurz die Beine hoch, etc. Auf dem Handy Nachrichten checken ist übrigens keine erholsame Pause;-) Wenn du eine echte Pause machst, genügen meistens schon ein paar Minuten, um deine Energiespeicher wieder zu füllen. Das hält das Energielevel besser hoch, als 8 Stunden durchzuarbeiten.
  • Plane bewusst täglich „Ich-Zeit“ ein mit Aktivitäten, die Dir guttun und Freude bereiten.
    (Lies hierzu auch gerne meinen anderen Beitrag „Ich mach jetzt täglich Mini-Urlaub“)
  • Beende Deinen Tag mit einer entspannenden Abendroutine. Experimentiere auch hier gerne ein wenig, was dir wirklich guttut. Das kann die Lektüre eines guten Romans sein, Tagebuch schreiben, Musik hören, Entspannungsmethoden wie autogenes Training, etc. Auch hier gilt: Handy aus.
  • Und last but not least: Sorge für 7-8 Stunden erholsamen Schlaf. Denn der ist kein lästiges Nebenprodukt eines aktiven Lebens, sondern eine wichtige.

 

Wie Du diese neuen Routinen für Dich etablierst?

Fange mit EINER neuen Sache an und lasse diese zunächst zur neuen Gewohnheit werden, bevor Du die nächste integrierst.

Setze Dir einen „Anker“, um Dich daran zu erinnern, was Du Dir vorgenommen hast. Stell dir z.B. einen Wecker mit einer Erinnerung. Du kannst auch bereits vorhandene Gewohnheiten nutzen und diese mit deiner neuen Gewohnheit verknüpfen, z.B. immer wenn ich morgens aufstehe, mache ich als erstes 10 Minuten etwas, das mir guttut (z.B. 3 Sonnengrüße/Yoga), bevor ich mich um alle anderen kümmere.

Fazit: Kümmer dich gut um dich! Nur dann kannst du dich dauerhaft gut um andere kümmern.

Besonders Menschen, die sich beruflich und/oder privat einen Großteil ihrer Zeit um das Wohlbefinden von anderen kümmern, sind gefährdet, sich aufzuopfern und ständig über ihre Grenzen zu gehen. Sie erlauben sich oftmals nicht, sich gut um sich selbst zu kümmern und nehmen sich nicht ausreichend Zeit dafür. Es fängt also mit der inneren Haltung an, sich und sein Wohlbefinden wichtig zu nehmen. Gefolgt von der bewussten Entscheidung, dies wirklich zu tun. Und zwar täglich. Denn nur, wenn man sich auch gut um sich kümmert, hat man dauerhaft die Kraft, das zu tun, was man gerne tut: sich gut um andere zu kümmern.

Also: kümmer dich gut um dich!

Denn du bist wichtig und das, was du tust, ist wichtig. Bleib gesund!

Nadine-Reinicke