Aufblühen statt ausbrennen?

Heutzutage und hierzulande leben wir in einer Wohlstands­gesellschaft. Wir haben mehr Geld, Freiheit und Möglichkeiten als jemals in der Menschheits­geschichte zuvor. Dennoch brennen immer mehr Menschen aus. Was können wir tun, um selbst nicht auszubrennen, sondern aufzublühen?

von Nadine Reinicke

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„Wenn ich endlich den Abschluss oder die nächste Karrierestufe erreicht habe und x Euro verdiene, werde ich endlich glücklich sein.“ Kommen dir solche Gedanken bekannt vor? Dann geht es dir wie vielen anderen auch. Viele Menschen glauben, dass ihr Glück von äußeren Umständen wie dem materiellen Wohlstand oder dem Karrierelevel abhängt. Sie rennen dieser vermeintlichen Glücksquelle hechelnd hinterher und sind dann erstaunt, dass sich der angestrebte Glückszustand, wenn überhaupt, nur kurzzeitig einstellt.

Wohlstand als Quelle für Glück?
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Was beeinflusst unser Glück?

Wenn es nicht die äußeren Umstände sind, die zu dauerhaftem Glück führen, was ist es dann?

Jeder Mensch kommt mit einer anderen genetischen Disposition zur Welt, die zunächst eine gewisse Ausgangslage bildet.

Doch darüber hinaus beeinflussen vor allem unser Denken, Fühlen und Handeln unser individuelles Wohlbefinden (Lyubomirsky). Und was wir denken, wie wir fühlen und uns verhalten ist veränderbar. Wir haben es also ein Stück weit in der Hand, unser Wohlbefinden mitzugestalten. Wir sind sprichwörtlich unseres eigenen Glückes Schmied.

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An welchen „Stellschrauben“ es sich zu drehen lohnt.

Welche Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen lassen uns denn nun aufblühen statt ausbrennen? Die Wissenschaftler rund um Martin Seligman haben herausgefunden, dass es nicht ein einziger Faktor ist, der Menschen aufblühen lässt („to flourish“), sondern dass es fünf wesentliche Faktoren gibt, an denen es sich zu arbeiten lohnt, die sogenannten PERMA-Faktoren:

P = Positive Emotions bzw. Positive Emotionen.

E = Engagement

R = Relationship bzw. Beziehungen

M = Meaning bzw. Sinn

A = Accomplishment bzw. Gelingen

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Wie kannst du die PERMA-Faktoren nutzen, um aufzublühen?

  1. Positive Emotions
    Bei diesem Faktor geht es darum, häufiger positive als negative Emotionen zu erleben. Dabei kann dir z.B. der positive Tagesrückblick helfen. Schreibe abends drei Dinge auf, die an dem Tag gut waren. Welche positiven Emotionen hast du dabei erlebt? Das hat einen doppelten Effekt. Wir werden uns der positiv erlebten Dinge bewusst und empfinden in dem Moment die entsprechenden positiven Emotionen noch einmal.
  2. Engagement
    Hier geht es darum, dir deine Stärken bewusst zu machen und diese regelmäßig einzusetzen. Dadurch schaffst du Flow-Erlebnisse und bist motivierter. Was du tust macht dir mehr Freude und fällt dir leichter. Es gibt dir Energie, statt sie zu rauben. Im ersten Schritt kannst du ebenfalls den Positiven Tagesrückblick nutzen, um dir deine Stärken bewusst zu machen. In Bezug auf die drei Dinge, die an dem Tag gut waren: welche Stärken hast du hier eingesetzt?
  3. Relationship bzw. Beziehungen
    Stabile, positive Beziehungen haben den vermutlich größten Einfluss auf unser Lebensglück. Du kannst hierzu erst einmal eine Bestandsaufnahme machen: schreibe hierzu für alle Lebensbereiche (Familie/Freunde, Arbeit/Weiterbildung, Freizeit/Hobbies, etc.) auf, zu welchen Menschen du regelmäßig Kontakt hast. Welche davon geben dir Energie? Und welche rauben sie dir? Welche Beziehungen möchtest du intensivieren? Welche reduzieren? Welche hast du vernachlässigt und möchtest sie reaktivieren?
  4. Meaning bzw. Sinn
    Was ist dein „Wozu“? Wozu stehst du jeden Morgen auf? Was gibt dir Sinn? Bzw. welchen Sinn gibst du dem, was du täglich tust? Wozu ist das wichtig? Und wozu noch? Du kannst dir diese Frage nach dem „wozu“ immer weiter stellen, bis du auf deinen über allem stehenden Sinn stößt.
  5. Accomplishment bzw. Gelingen
    Ein Plan ist nicht alles, aber ohne Planung ist alles nichts. Was ist dein Ziel? Brich es möglichst in wöchentliche Zwischenziele runter und reflektiere am Ende der Woche, was du bereits geschafft hast. Wichtig: dann nicht direkt weitermachen, sondern erst einmal innehalten und dich über deine Erfolge in dieser Woche freuen. Belohne dich dafür!

Fazit: Das gute Leben ist kein Zustand, sondern ein PERMAnenter Prozess;-)

Es sind nicht die großen Erfolge, die uns dauerhaft glücklich machen. Ein glückliches Leben besteht vielmehr aus vielen kleinen Glücksmomenten, die wir möglicherweise auch nur dadurch zu schätzen wissen, weil wir auf der anderen Seite auch mal weniger angenehme Momente erleben.

Manche Menschen haben das große Glück, von Natur aus häufiger positive als negative Emotionen zu erleben, sich ihrer Stärken bewusst zu sein und diese täglich einsetzen zu können, im Privat- wie im Berufsleben stabile, positive Beziehungen zu führen, Sinn in dem zu erleben, was sie tun und ihre Erfolge regelmäßig zu feiern. Solltest du, wie viele andere auch, nicht zu den glücklichen gehören, denen all das in die Wiege gelegt wurde, kannst du jetzt damit anfangen, an den entsprechenden Stellschrauben zu drehen. Such dir die aus, auf die du am meisten Lust hast. Und schraub jeden Tag nur ein kleines Stückchen. Da die Schrauben nicht voneinander isoliert sind, beeinflussen sie sich gegenseitig. Wie bei einem Uhrwerk, bei dem jedes Zahnrad in ein anderes greift.

Schraubst du täglich ein kleines Stückchen, wirst du nach einer gewissen Zeit vermutlich eine positive Entwicklung feststellen. Aus einer anfänglich neuen Denk-, Fühl- oder Verhaltensweise wird eine neue Gewohnheit, die dir guttut.

Hörst du auf zu schrauben, hält der Effekt vielleicht noch eine Weile an, lässt dann aber irgendwann nach.

Es ist wie bei der Ernährung oder beim Sport. Nur wenn wir das, was uns guttut regelmäßig und dauerhaft tun, geht es uns in Fleisch und Blut über und wir profitieren dauerhaft von den positiven Effekten.

Ich wünsche dir viel Freude bei deinem PERMAnenten Prozess des Aufblühens!

Nadine-Reinicke